Bereits der eröffnende Titel »Meine Sonnenwende« nach einem Gedicht von Max Haushofer verweist darauf, dass das Rad des Jahres keinen Stillstand kennt, nicht alles eitel Sonnenschein und laue Lenzenluft ist.
Nico Schwappacher
Dennis DeBiase trinkt sich satt an süßer Melancholie, steigert das Gefühl romantischen Schwärmens innerlich zum dionysischen Rausch – und lädt die Zuhörer seines Neofolk-Projekts Solwein dazu ein, es ihm gleichzutun. »Omnia Vincit Amor«, das Debütalbum des Pfälzers, möchte das erhebende, von Freiheit und Frische beflügelte, von Gedankenschwere veredelte Gefühl einfangen, das den romantisch beseelten Wanderer bei einsamen Streifzügen durch die sonnenbeschienenen Weinberge seiner Heimat leicht überkommen kann. Dieses Unterfangen gelingt Solwein stets mit Stil und Klasse, obgleich das Gebotene zu keiner Zeit auch nur dazu ansetzt, das eng geschnürte Korsett der Genre-Klischees zu verlassen.

Das musikalische Terrain ist rasch umgrenzt: Forseti und Jännerwein dürften mit ihrem naturverliebten, romantisch-konservativen Liedgut Pate für das solwein’sche Schaffen gestanden haben. Die Akustikgitarre ist auf »Omnia Vincit Amor« das führende Instrument, das die sonore Gesangsstime in zuweilen mehrstimmig verflochtene, stets wohlklingend harmonische Linien einwebt. Auch Perkussion, die sich nie martialisch in den Vordergrund paukt, darf ergänzend erklingen. Wo sich dezente Synthesizer-Flächen ins Klangbild mischen – wie etwa in »Nach einem nächtlichen Gewitter«, einer Nietzsche-Gedichtvertonung – liegt Sonne Hagal nicht fern. Wo die Texte von Deutsch auf Englisch wechseln, muss DeBiase sich hier und da auch den obligatorischen Death-In-June-Vergleich gefallen lassen (»Love into feud«, »Falling Like Autumn Leaves« sowie »Her scars«).
Was Solwein jedoch dazu bemächtigt, sich den Niederungen des allzu Epigonenhaften zu entheben, ist die sich nicht in schierer Schwermut erschöpfende Stimmung der Lust an der Schwärmerei und des frühlingshaften, morgendlichen Aufbruchs, die der Musiker seinen Liedern meist mitzugeben vermag. Sie verleiht dem musischen Rebensaft eine dezente Note eigener Würze. Als Paradebeispiel hierfür darf »Der Wandervogel« gelten, in dem DeBiase zu flotter Begleitung nach Wandergitarrenart die Freiheit des nur der eigenen Lust verpflichteten Umherustromerns in der Natur besingt. Ebenso das direkt folgende »Die Mandelblüte«, in dem der Musiker der zartrosa Frühlingsbotin liebevolle Zeilen widmet: »Und steht der Baum in höchster Farbe / Dem Morgen gleich, ein helles Rot / Vertreibt der Mandel Feuergarbe / Auch des Winters letzte Not.«
Allem Ungemach des Lebensganges, all seiner Verbitterungen, all seiner Enttäuschungen zum Trotz, bleibt der Protagonist standhaft, taucht »täglich aus durchlittnen Roheiten neu die Stirn ins Licht«.
Nico Schwappacher
In jenem luftigen Frühlingston erklingt auch die Hermann-Hesse-Gedichtvertonung »Gestutzte Eiche«, die von der als Samples eingebundenen, äußerst charismatischen Rezitation des Schauspielers und Sprechers Fritz Stavenhagen immens profitiert – und als ein Höhepunkt des Albums gelten darf. Wunderbar fügt sich die erhebende Aussage des Texts in das Konzept des Albums ein, dessen lateinischer Titel übersetzt nicht umsonst »Alles besiegt die Liebe« lautet: Allem Ungemach des Lebensganges, all seiner Verbitterungen, all seiner Enttäuschungen zum Trotz, bleibt der Protagonist standhaft, taucht »täglich aus durchlittnen Roheiten neu die Stirn ins Licht«. Sein Lebensmut, obgleich gestutzt und verschnitten, erwächst, den Blättern gleich, stets neu. »Und allem Weh zu Trotze bleib ich / Verliebt in die verrückte Welt.«
Bereits der eröffnende Titel »Meine Sonnenwende« nach einem Gedicht von Max Haushofer verweist darauf, dass das Rad des Jahres keinen Stillstand kennt, nicht alles eitel Sonnenschein und laue Lenzenluft ist. So erzählt »Balders Tod« die germanische Sage um den hinterlistigen Mord an dem friedliebenden Gott mithilfe eines Mistelzweiges. Seinem Titel entsprechend eisig und dunkel zeigt sich auch »Winterr(a)unen«. Zu molliger Gitarrenbegleitung und mit gewispertem Gesang macht Solwein die späte Rückkehr des Winters im Frühling – unter Verweis auf mit Kälte assoziierte Runen mythologisiert – zum Thema.
Mit dem von seinem unruhigen Gitarren-Arrangement getragenen Instrumental »Tempestas« (lateinisch für »Wetter«) endet »Omnia Vincit Amor« ungewohnt aufgewühlt, samt Gewitter- und Regen-Samples regelrecht stürmisch. Denn ansonsten bietet Solweins Erstlingswerk in erster Linie Ruhiges für ruhige Mußestunden, Kontemplatives, das leichtfüßig zwischen Amor, Thanatos und Dionysos changiert. Im eigentlichen Sinne originell ist das – zugegegebenermaßen – nicht. Und doch macht die stimmungsvolle, stringente Umsetzung romantischer Themen das über Lichterklang erschienene Album in seinem Genre zu einem der hörenswerteren der vergangenen Jahre.