Der kleinere Bruder mit 50 l Volumen hingegen begleitet mich seit Jahren im Alltag zum Einkaufen, auf die Arbeit, in der Natur, beim Wandern, beim Radfahren und auf Reisen. Mein persönlicher, unkaputtbarer „Lada Niva“ für den Rücken eben.
Überlegt ihr euch gerade den Kauf eines neuen Rucksacks und steht ein wenig ratlos vor einem Riesenangebot zwischen zahllosen „Hipstermodellen“ und ultraleichten, modernen Varianten mit ganz viel Mesh, Plaste, Reißverschlüssen und tausend Fächern? Wenn euch beide Möglichkeiten genauso wenig zusagen wie uns, wenn ihr weniger auf Nylon und Plastik, dafür mehr auf Metall, Leder und Handarbeit zu bezahlbaren Konditionen steht, dann können wir euch mit dem gebrauchten Schweizer Armeerucksack in drei Ausführungen eine echte Alternative mit Ecken, Kanten und vor allem Charakter empfehlen.
Vom Fellaffen über Salz und Pfeffer zur Ölhaut — Der Schweizer Armee Rucksack im Wandel der Zeit
Uns soll es in diesem Artikel vornehmlich um 3 gebräuchliche Varianten des Schweizer Armeerucksacks gehen. Diese solltet ihr immer mal wieder ohne größere Probleme in einschlägigen Shops für gebrauchte Militaria oder auf Ebay zu bezahlbaren Preisen auftreiben können:
Modell: | Material: | Maße: | Volumen: | Gewicht: |
»Groß« | Lederol | ca. 75 x 40 x 30 | 80 l | ca. 3,4 kg |
»Normal« | Lederol | ca. 55 x 40 x 30 | 50 l | ca. 2,5 kg |
»Salz und Pfeffer« | Segeltuch | ca. 55 x 40 x 30 | 50 l | ca. 2,5 kg |
Was für das Schweizer Heer aktuell aus modernsten Kunstfasern hergestellt wird, begann seine Karriere nach dem 1. Weltkrieg als der sogenannte „Fällaff“. Der kantige Tornister erhielt den wenig schmeichelhaften Namen wegen seines außergewöhnlichen Obermaterials. Ein Ponyfell schützte den Inhalt des Tornisters gegen Nässe und Schnee und ließ den Rekruten aussehen, als trüge er einen haarigen Affen auf dem Rücken mit sich herum. In den 40er Jahren konnten die Schweizer Ponys dann schließlich aufatmen: Der Bezug aus Fell wich einem robusten Segeltuch, dessen charakteristisches Pünktchenmuster dieser Produktionsreihe den klingenden Beinamen „Salz und Pfeffer“ einbrachte.

Das schöne Segeltuch wiederum wurde in den 70er Jahren durch ein Material namens Lederol, auch Ölhaut genannt, ersetzt. Die Lederol-Variante sollte auch der letzte Typ des Rucksacks sein, für dessen Produktion das Schweizer Heer Sattler aus dem ganzen Land verpflichtet hatte.

Ein wirklich schönes Detail und der Beweis für echte Handarbeit: Der ausführende Sattlereibetrieb hinterließ auf jedem Werkstück seinen individuellen Prägestempel mit Namen, Fertigungsjahr und Ort. So lässt sich bis heute feststellen, dass ein Sattler namens Otto Lehmann aus dem Ort Wünnewil meinen 50 l Lederol Rucksack im Jahr 1977 herstellte, während Theresas „Salz und Pfeffer“ bereits 1954 in Riva San Vitale im Betrieb eines B. Ferrari seinen Dienst als zuverlässiger Segeltuch-Begleiter im Gebirge antrat.

Gute Gründe sich für einen gebrauchten Schweizer Armeerucksack zu entscheiden
Natürlich könnte man sich jetzt fragen, warum man sich für einen 40 bis 60 Jahre alten Rucksack entscheiden sollte. Die Antwort: Beinahe unverwüstliche Materialien, sauber verarbeitet durch einen fachkundigen Handwerksbetrieb, von der Sattlernaht mit der Riemen, Schließen und Tragegurt befestigt sind, bis hin zur bombenfesten Vernietung des integrierten Tragegestells. Der Boden aller vorgestellten Varianten besteht übrigens aus strapazierfähigem Rindsleder, ein sogenannter Schneefang erweitert das Fassungsvermögen und verhindert so zusätzlich das Eindringen von Nässe.
Geht doch mal ein Teil kaputt, lässt sich der Rucksack beim ortsansässigen Schuster wieder herrichten, ganz im Sinne der Nachhaltigkeit. Dornen, Regen und Matsch stellen keine echte Bedrohung dar. Einst konzipiert für den alpinen Bereich und hohe Beanspruchung, dürften die Anforderungen, die der moderne (Freizeit-)Outdoor-Enthusiast an seinen Rucksack stellt, definitiv getroffen sein. Je nach Lagerzeit und Zustand kann es dennoch nötig sein, zumindest den „Pfeffer und Salz“ noch einmal zu imprägnieren.
Preislich schlägt die wunderschöne „Pfeffer und Salz“ Variante mit ca. 100 Euro zu Buche, (je nach Zustand) während man für die 50 l Lederol Version um die 60 Euro und für den Lederol Rucksack mit 80 l Volumen zwischen 70 und 90 Euro einplanen kann. Ausschlaggebend für die Preisgestaltung ist hier natürlich auch immer der Erhaltungszustand. Bei meinem 50 l Modell musste ich zunächst Lagerschäden (Stockflecken) beseitigen, dafür war das gute Stück aber auch schon für ca. 30 Euro zu haben.
Praktische Kombination: Der Schweizer Rucksack und die BW Faltmatte

Wer nicht auf nasse Knie im Gelände steht, wird sich über diesen Tip sicherlich freuen. Die BW-Faltmatte lässt sich wunderbar mit dem Schweizer Armeerucksack in allen angesprochenen Varianten kombinieren und als zusätzliches Rückenpolster sicher und fest auf der Rucksack-Rückseite einschieben. So hat man seine Unterlage für eine spontane Pause (oder auch beim Fotografieren) immer griffbereit und muss nicht umständlich im Rucksack herumwühlen.
Wer sollte zugreifen?
Die robuste und urige Verarbeitung der Rucksäcke bedeutet aber natürlich auch ein höheres Eigengewicht bei einem Tragekomfort, der sich mit aktuellen Modellen nicht vergleichen lässt. Wer sich für die große Variante mit 80 l Volumen entscheidet, fügt seiner Ausrüstung immerhin stolze 3,4 kg hinzu, wem hingegen die 50 l Variante ausreicht, der darf immerhin noch 2,5 kg puren Rucksack mit sich herumtragen. „Salz und Pfeffer“ dürfte lediglich ein paar Gramm weniger auf die Waage bringen.
Lassen sich ausgedehnte Tagestouren für „Untrainierte“ mit dem zusätzlichen Gewicht noch super realisieren, sieht es mit Trekking oder Fernwandern schon wieder ganz anders aus. Wem es bei seinen Aktivitäten auf eine ultraleichte, kompakte und ergonomisch perfekt anpassbare Ausrüstung ankommt, der wird und sollte sicherlich nicht zum Schweizer greifen.
Der „Bushcrafter“ und der Outdoorfreak hingegen werden in allen vorgestellten Modellen einen stilvollen Begleiter fürs Leben finden. Ich persönlich verwende den großen Rucksack vor allem bei Freiluft-Übernachtungen in der kalten Jahreszeit, alleine schon um den dicken Winterschlafsack unterzubringen. Der kleinere Bruder mit 50 l Volumen hingegen begleitet mich seit Jahren im Alltag zum Einkaufen, auf die Arbeit, in der Natur, beim Wandern, beim Radfahren und auf Reisen. Mein persönlicher, unkaputtbarer „Lada Niva“ für den Rücken eben.