Solve! Das titelgebende „Alkahest“ fungiert als universales Lösungsmittel, und wird dem Mythos nach aus dem Stein der Weisen gewonnen.
Der Einstieg fällt recht militärisch-diszipliniert aus. Drum-Rolls leiten unheilverheißend den Opener »Basilisk – Im Angesicht des Schattenwichts« ein, bevor der Song in ein rhythmisches D‑Beat Massaker übergeht. Eine Double-Bass Passage schaltet ein und ein dissonanter Höllenchor verzerrter Stimmen verkündet die frohe Botschaft: Es fetzt! Ein destruktiveres Metal Punk Machwerk als dieses hätte man nicht als den Anheizer dieser Platte wählen können. Nach dem Chaos wird’s leicht episch: Paukenschläge, erinnernd an Master´s Hammer, und eine Melodie, die an eine Mixtur der besten Parts von Filosofem und diversen Emperor Werken erinnert, pausieren den wilden Ritt kurz, bevor der »Schattenwicht« mit einsetzenden Blast-Beats zu Grabe getragen wird.
Abwechslungsreiches Drumming ist der Schlüssel zur flüssigen Songstruktur von »Miasma – Vor flirrenden Götzen in stickigen Grotten«. Das Schlagwerk wechselt schneidig von Mid- auf Hochtempo und schaltet durch Fills meisterlich durch die Gänge. Hier fällt auch erstmals das Keyboard auf, welches durchaus prominent, aber unaufdringlich nebenher schwebt. Die Gesangsparts sind wunderbar schaurig getaktet, wechseln zwischen tiefem Gebrumme bis hin zu teuflischem Gekeife aus dem Höllengrund. Abgerundet wird das ganze durch einen „Ambient“-Part (ich nenn das einfach mal so). Gezupfte Gitarrenakkorde mit hohem Reverb und Gewisper. Passt! Anschließend geht es sogar noch ans Cineastische: Wir bekommen ein passendes Zitat aus »Paracelsus«, einem G.W. Pabst Film, in dem der gleichnamige schweizerische Alchemist im Monolog hoffnungslos faulige Aussichten bereithält.
Durch ein langsames Fade-In geht es über in die Hölle: »In der Hölle tieft der Gran« wird mit finsterem Knurren und einem schallenden Glockenspiel eröffnet. Das Stück ist von Doom durchdrungen, verbreitet im schleppenden Takt Verdammnis. Stimmen jenseits der Oberfläche tönen und eine Note Hooded Menace lässt sich zwischen den Zeilen entziffern, bevor die Stimmung umschlägt und BM-Klänge angestimmt werden. Das Tempo bekommt durch ein gut eingebundenes Ride Becken eine rhythmische Portion Kälte, wodurch im Leibe der schwarze Saft zur Siedetemperatur getrieben wird.
Der »Demiurg« schlägt zu Beginn neue Töne an. Hier bekommt man ein klassisches Heavy Metal Riff aus den Boxen geblasen, welches mit fortschreitender Dauer in eine Hi-Hat-getriebene Schwarzkunstverehrung übergeht. Ein atmosphärisches Zwischenspiel offenbart eine unangenehm-klirrende Geisteslandschaft. Die Ruhe vor dem Sturm hält nicht lang an, ein Second-Wave Part eröffnet den Höllenritt mit tosendem Gebrause und beendet den Titel mit Vollgas.
Solve! Das titelgebende »Alkahest« fungiert als universales Lösungsmittel, und wird dem Mythos nach aus dem Stein der Weisen gewonnen. Als Paracelsus diesen Stoff benannte, oder seine Kollegen eifrig nach selbem jagten, konnten sie sich bei Leibe nicht vorstellen, jenen ein halbes Jahrtausend später in Form tonaler Zauberkunst vorzufinden. Es peitscht in guter Hochtempo-Manier auf den Hörer ein, Abkühlung gibt es nur durch die Drumfills und einen Break im hinteren Part des Songs. Strukturell aufgeräumt, prescht der Titeltrack mit einfallsreichem Riffing und einer wunderbar dahinfließenden Bass-Spur dahin. Tendenz ist im Gegensatz zum Rest des Albums Richtung Ungfell, Meister Tekel steuert hier (soweit meine musikalische Aufnahme- und Recherchefähigkeit mich nicht trüben) Bass und Gesang bei. Der Geist des helvetischen Wahnsinns hält hier Einzug, eine Erkenntnis, die nicht viel später durch ein orchestrales Keyboard-Lead untermauert wird.
Die Ausgangsstoffe sind aus allen möglichen Ecken und Winkeln der Alten Welt zusammengetragen, ergeben aber gerade in dieser Hinsicht ein stimmiges Gesamtgefüge.
Last but not least: »Sefiroth – Schalenleib des Welten-Alls«. Akustischer Einstieg, flüsternde Stimmen. Der Rausschmeißer stampft los. Wir bekommen eine jazzige Mid-Tempo Mitternachtsmesse geboten. Mit diesem gutartig-schizophrenen Absacker verlässt uns das alchimistische Machwerk kurzweilig, inklusive epischen Timpani Gepauke und sphärischen Soundtrack-Synthklängen direkt aus den späten 90ern.
Der Kessel ist aus, das Feuer erloschen. Doch ist das Experiment geglückt?
Ich finde: Sehr wohl! Kvelgeyst, entlassen aus den Kerkern des »Helvetic Underground Committees«, ist eigenständig und braut aus alten Formeln eine erfrischend neue Synthese. Die Ausgangsstoffe sind aus allen möglichen Ecken und Winkeln der Alten Welt zusammengetragen, ergeben aber gerade in dieser Hinsicht ein stimmiges Gesamtgefüge. Definitiv reinhören!
Erhältlich ist »Alkahest« in digitaler Form auf https://kvelgeyst.bandcamp.com/releases , in den Formaten CD und Vinyl unter https://vendettarecords.bigcartel.com/ .