Was Felix an Geisteshaltung mit dem Eibenreiter teilt, ist die Freude am Erforschen und Erleben des eigenen Umfeldes mit seiner jüngeren und ferneren Geschichte, sowie das Abbilden des einst regen spirituellen Lebens der Altvorderen und ihrer kulturellen Abdrücke in der Landschaft.
- Grüß dich Felix! Es freut mich außerordentlich, dass du dir die Zeit für ein kleines Gespräch mit dem Eibenreiter nehmen konntest! Wie ist dein Blog Heimatlicht-mv.de angelaufen?
- Moin Johannes! Ich möchte mich erstmal bedanken, dass ihr mit der Idee für das Interview auf mich zugekommen seid. Mein Blog ist nun seit etwa vier Wochen online. Die Besucherzahlen sind natürlich momentan noch bescheiden, dafür waren die Reaktionen von Freunden, Bekannten und Netzbekanntschaften durchweg positiv. Ich denke also, dass ich auf dem richtigen Weg bin und das Projekt organisch wachsen wird!
- Was mich an deinen Fotografien so fasziniert, ist dieser sehr spezielle, nur schwer in Worte zu fassende Sinn für das “ganzheitlich heimatliche” in deiner Arbeit. Trifft das in etwa die Kernaussage deiner thematischen Ausrichtung?
- Auch hier noch einmal danke für die lobenden Worte. Es ist wirklich ein schönes Gefühl, wenn sich eine Person die Fotos bewusster ansieht und nicht nur bei Instagram durchscrollt!
Zu deiner Frage: Ich verstehe „ganzheitlich heimatlich“ so, dass die Heimat in Gänze, d.h. mit allen Facetten abgebildet werden soll. Und dann stimme ich dir auch ganz zu! Mecklenburg-Vorpommern ist ja eines der beliebtesten Urlaubsziele in Deutschland und bei vielen vor allem durch die Ostseebäder bekannt – aber dieses Land ist so viel mehr als Strand und Sonne. Viele Landstriche sind hier sehr dünn besiedelt, teilweise gibt es sogar noch Gebiete, die vom Urwald bewachsen sind. Hier weht der Hauch des Geheimnisvollen, eine ganze andere Stimmung liegt in der Luft. Gerade diese einsame, geheimnisvolle Seite möchte ich fotografisch umsetzen.

- Dieser Fokus auf das Minimalistische, das oft in deinen Bildern auftaucht, wie bist du darauf gekommen? Versuchst du da eventuell den Blick für das Wesentliche und das Charakteristische an der Heimat zu schärfen?
- Minimalistische Fotografie fasziniert mich, weil sie einfach viel stärker die Gedankenwelt, die Phantasie des Betrachters anregt. Den Weg dahin habe ich gefunden, weil mich die „lauten“ Landschafts- oder Stadtfotografien voller knalliger Farben, Blendensterne, epischen Motiven, HDR-Effekten usw. irgendwann nicht mehr „abholten“. Für meinen Geschmack passiert auf so einem Foto zu viel, ohne dass etwas (aus-)gesagt wird. Da ich ohnehin in vielen Sachen ein eigensinniger Sturkopf bin, wollte ich auch fotografisch meinen eigenen Weg gehen. Und so folgte dann der Schritt zum Minimalismus, zur Konzentration auf das Wesentliche.
Das begann erst hinsichtlich der Farben, mittlerweile auch immer mehr im Bildaufbau. Mein Ziel ist es, in beiden Bereichen nach Möglichkeit nur das abzubilden, was zur Aussage des Fotos beiträgt. Meistens geht es mir um die Vermittlung von Atmosphäre, Weite, Ferne, Melancholie – kurz gesagt, mir geht es um „stille“ Fotografie.

- Zur Vorbereitung auf unser Interview habe ich mich naturgemäß etwas genauer mit den Fotos befasst, die du auf deinem Blog und auf Instagram veröffentlicht hast. Mir ist aufgefallen, dass sich in deinem Feed ein Spannungsfeld zwischen heidnischen Monumenten, Stichwort Großsteingräber, und christlichen Sakralbauten bemerkbar macht, ohne dass du einem Thema den Vorzug gibst. Was fasziniert dich an diesem Kontrast?
- Neben dem Kontrast gibt es ja auch Gemeinsamkeiten: Beide Aspekte gehören zur Geschichte dieses Landes und wurden von Menschen mit immensem Aufwand errichtet, weil sie in ihnen eine spirituelle Bedeutung sahen.
Großsteingräber faszinieren mich, weil sie eine sehr, sehr ursprüngliche Spiritualität in sich bergen. Im gleichen Maße sind sie von Geheimnissen umgeben, deren größten Teil wir wohl nie aufdecken werden. Diese Aura ist einfach einmalig. Und wenn man sich dann noch vorstellt, seit wie vielen tausend Jahren diese Grabstätten existieren, wie viele Jahre Menschheitsgeschichte sich da vor dem Auge manifestieren… das ist wirklich unglaublich.
Wie verträgt sich das nun mit einer Faszination für Kirchen? Erstmal betrachte ich Kirchen aus historischer Sicht – hier finden sich oft Jahrhunderte an Geschichte konzentriert an einem Ort. Das allein wäre ja schon Grund genug, sich da auf Erkundungstour zu begeben, wenn es da nicht noch die beeindruckenden Kunstwerke zu bestaunen gäbe, in die schlichtweg die Hingabe der Vorfahren dieser Region geflossen sind. Um das zu respektieren, muss man mit der Institution Kirche auch gar nicht viel am Hut haben.
So stehen für mich Großsteingräber und Kirchen (natürlich nur aus einer gewissen Perspektive) durchaus in einer Linie, zumal Kirchen durch und durch morbide Orte sind, die den Tod beziehungsweise das Jenseitige omnipräsent in sich tragen. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass in der Anfangszeit des Christentums viele heidnische Bräuche, Traditionen, Götter usw. im christlichen Sinne umgedeutet werden. Auch über die Rückverfolgung solcher kleinen Puzzleteile kann der ursprüngliche „Glaube“ (was aus meiner Sicht ein nicht so recht passendes Wort dafür ist – Spiritualität wurde viel eher gelebt, als Teil des Alltags verstanden und nicht „geglaubt“) rekonstruiert werden.
Meistens geht es mir um die Vermittlung von Atmosphäre, Weite, Ferne, Melancholie – kurz gesagt, mir geht es um „stille“ Fotografie.
Felix Lachmann von Heimatlicht MV
- Im Gegensatz zu vielen “Kollegen” auf Instagram versuchst du ein Bild mit einer lesenswerten Information zu verknüpfen, für die du ja Recherche betreiben musst. Damit treten wir ja schon wieder so ein bisschen aus dem puren Konsum von schönen Bildern heraus in eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit Natur, Land und Leuten. Welche Intention steckt hinter diesem schönen Ansatz?
- Die ist ganz einfach zu erklären: ich möchte letztendlich erreichen, dass sich die Betrachter mit der Geschichte ihrer Heimat beschäftigen beziehungsweise für MV-Interessierte den Blick dafür ermöglichen, dass hier eben mehr „stattfindet“ bzw. „stattfand“ als Sommer, Sonne, Badestrand. Die Beschäftigung mit der Heimatgeschichte ist auch nicht auf Mecklenburg-Vorpommern beschränkt – jeder kann mit seiner Heimat in Verbindung treten, seelische Resonanzachsen bilden. Vielleicht beginnt das bei jemanden mit der Frage: „Hey, was ist denn eigentlich bei mir hier in (Region xy) los gewesen?“ Wenn das bei ein paar Leuten passiert, wäre das eine unheimlich große Freude.
- Um noch ein bisschen bei den Beschreibungen deiner Fotos zu verweilen: Da finde ich Märchen, Zitate von Dichtern, historische Infos und auch mal Persönliches. Du scheinst da aus vielen Quellen zu schöpfen. Wann und wie hat deine Begeisterung für das Zusammentragen von “Heimatfragmenten” angefangen?
- „Heimatfragmente“ ist ein sehr schönes Wort, das definitiv bekannt werden muss! Nun ist es ja auch so, dass beispielsweise nicht jedes unter den Fotos verwendete Gedicht von Dichtern aus der Region stammt – ich habe ja auch einmal den guten Hermann Hesse zitiert, der ja mit Mecklenburg-Vorpommern nicht viel zu tun hat. Aber über verschiedene Wege, sei es Literatur, Wandern, Lieder, Märchen funktioniert es für mich persönlich, die Heimat wieder zu erschließen. Wie und wann das angefangen hat, kann ich dir gar nicht so genau sagen… es ist auf jeden Fall schon einige Jahre her. In gewisser Weise hat es mich schon als Kind fasziniert, die mächtige Nikolaikirche aus der ehemaligen Wohnung meiner Tante heraus zu bestaunen. Nicht ganz unschuldig daran dürfte außerdem das Buch „Volksmärchen aus dem Historischen Vorpommern“ sein, das aus Mutterns Bücherschrank, in den meiner Studentenbude wanderte. Außerdem gab es im Geschichtsstudium unweigerlich viele Berührungspunkte mit Regionalgeschichte – irgendwann wurde die Beschäftigung damit einfach ein ständiger Begleiter.
- Hat dich diese vielfältige Landschaft denn auch spirituell geprägt? Ich meine, diese ständige räumliche Nähe zu den Monumenten der Ahnen setzt doch sicherlich den ein oder anderen Denkprozess in Gang?
- Diese Landschaft hat mich ohne jeden Zweifel auch spirituell geprägt. Fahr einmal mit dem Zug durch diese Gegend, schau aus dem Fenster und hör Musik – das ist fast wie Meditation. Dann dazu noch die Omnipräsenz der Ostsee, die irgendwie im Hintergrund immer dabei ist, manchmal fast wie ein „Bekannter“ wirkt, mit dem während einer windigen Fototour auch schon mal gesprochen wird – das bleibt alles nicht ganz ohne Folgen. Das setzt dich in erwähnte Resonanz mit der Landschaft, der Heimat!
Bezüglich der Großsteingräber bin ich noch am Anfang, diese nach und nach zu erkunden. Aber allein zu wissen, dass die Wälder und Felder vor der Haustür so unglaublich viele beherbergen, lässt die Heimat sehr ursprünglich wirken. Denkprozesse bleiben da gar nicht aus, sind vielmehr auch Voraussetzung – konkret ausformulieren kann ich dir jetzt allerdings keinen, es sind mythische, archetypische Bilder im Kopf, die unweigerlich auftauchen, wenn du ohnehin einen offenen Geist dafür hast!
Fahr einmal mit dem Zug durch diese Gegend, schau aus dem Fenster und hör Musik – das ist fast wie Meditation.
Felix Lachmann Heimatlicht MV
- Aus vorangegangen Gesprächen weiß ich, dass du nicht nur leidenschaftlicher Fotograf, sondern auch ein Freund extremer Musik bist. Inwieweit beeinflusst dich die Musik bei deinen Fotografien? Für welche Bands kannst du dich aktuell begeistern?
- Musik spielt eine unheimlich große Rolle, da auch sie die eben genannten archetypischen Bilder im Kopf hervorrufen kann und das auch oft genug tut. Viele Bands eignen sich dafür bei mir besonders gut – dazu zählen im Bereich der Dauerbrenner definitiv Bathory (besonders die „Blood on Ice“ und „Hammerheart“), Enslaved (speziell: „Eld“ und „Blodhemn“!), Burzum (eigentlich alles), Primordial (die offensichtlich ab Album Nummer Zwei beschlossen, nur noch Klassiker zu produzieren), Wolves in the Throne Room („Two Hunters“), Agalloch (ebenfalls alles) und insbesondere im Herbst sind Drudkh und Nocte Obducta eine endlose Quelle an Inspiration. Wenn ich mit Rad oder Zug unterwegs bin, spielt Post-Rock a la Long Distance Calling, God is an Astronaut und Stone from the Sky eine Rolle! Das ist Musik, die die Gedanken aus dem Alltäglichen heraushebt, sie öffnet und nicht selten einen wahren Kreativitätsschub gibt. Nicht zu vergessen Darkthrone, neben deren Klassikern die Alben ab „The Cult is Alive“ richtig geniale „Wandervibes“ versprühen.
Ganz aktuell haben es mir seit ein paar Wochen das Debüt von Solstice („Lamentations“), Behemoths „Thelema.6“ und wieder einmal Primordials „Exile Amongst the Ruins“ angetan. Und dann haben wir noch kein Wort über Misthyrming, Mgla, The Flight of Sleipnir, Blut aus Nord, Moonsorrow, Wardruna, Heilung, Emperor, Arckanum, Svartsyn (sträflichst unterbewertet!), Watain, Lunar Aurora und Solstafir verloren…! Musik ist einfach ein zu schönes Thema. Ich denke aber, der Leser kann sich vorstellen, wohin die Reise geht. An dieser Stelle auch noch ein Dankeschön für deinen Tipp bzgl. Owls Woods Graves! - Natürlich wäre kein Interview vollständig ohne einen Blick in die Zukunft. Du füllst ja gerade deinen Blog mit Inhalten und machst dir nebenbei auf Instagram einen Namen. Welche Projekte hält die Zukunft für Heimatlicht bereit? Woran arbeitest du aktuell?
- Letztendlich werde ich neben der „Wanderfotografie“ immer wieder einige Projekte aufgreifen und verfolgen. Da wäre zum einen die Idee „Stralsund Noir“, bei dem ich das beschauliche Stralsund im Stil der düsteren amerikanischen Noir-Dramen der 40er/50er-Jahre ablichten möchte. Dazu existieren auch schon Fotos.
Ein zweites Dauerprojekt sind die Dorfkirchen, die in Mecklenburg-Vorpommern fast an jeder Kreuzung zu finden sind und das Landschaftsbild stark prägen. Viele sind sehr im Postkarten-Stil fotografiert, aber kaum jemand hat bisher die mystische Seite dieser Orte umgesetzt – das soll das Ziel des Projektes sein. Auch dazu habe ich schon einiges an Material.
Projekte drei und vier haben sich jetzt erst in den letzten Wochen ergeben. Einige lose Ideen existieren da, aber die muss ich noch weiter durchdenken. Darin soll es um die fotografische Umsetzung des Futharks sowie der vier Elemente gehen. Dabei wird es sicherlich einige Überschneidungen geben – vielleicht fällt es auch in ein Projekt zusammen. Mal sehen, was daraus wird! Die Ideen gehen jedenfalls nicht aus, hehe. - Lieber Felix, erst einmal vielen Dank für das Interview, wir freuen uns im Übrigen sehr darüber, dass du unser Format auch in der Zukunft tatkräftig unterstützen möchtest und wünschen dir als Fotograf, dass dir die Musen des Nordens auch weiterhin gewogen sein mögen!
- Ich habe EUCH zu danken, dass ihr dieses Interview angeregt habt – was für eine Ehre! Viel besser kann eine Zusammenarbeit ja kaum beginnen. Es ist schön, Teil des „Eibenreiters“ zu werden. Mögen euch die Musen des Südens be-geist-ern!