Tritt ein und reinige dich…
An die Schwelle treten, über die Schwelle gleiten. In den Abgrund starren und sich vereinen, sich dem Schicksal ergeben und die Reise ins Finstere zulassen.

Wenn ein Album etwas zu mir sagen könnte, mir etwas vermitteln wollte, so würde ich obiges aus dem pechschwarzen Schlund der „Nachtseite“ hören. Häxenzijrkell´s nunmehr sechste Veröffentlichung innerhalb von 4 Jahren dürfte der wohl treueste, und zuverlässigste Begleiter innerhalb eines Labyrinths aus Schwefel und Pestilenz sein, das dunkelste und facettenreichste Kapitel des Abstiegs gen Tartaros.
Eingeleitet mit Ambient Klängen und einer Spoken Word Passage wird einem klar: Die Reise beginnt, denn sobald die verzerrten Gitarren zu sprechen beginnen und die Mid-Tempo Drums eine in Reverb gehüllte Totenprozession lostreten, gibt es kein Zurück. Hier bewegt sich von der ersten Sekunde an etwas vorwärts, stampfend, ohne den Blick dem Zurückliegenden zu heben. Umwoben von einer Erzählerstimme finde ich mich „auf der Schwelle“ wieder.
Schon jetzt kann ich sagen: Der Zijrkell bleibt sich treu, entwickelt sich aber dennoch in so vielen Facetten weiter und verbessert sich stets von Release zu Release. Man lässt sich einfach gern in die unendlichen Tiefen der Unterwelt ziehen, denn schon während des ersten Songs werde ich in diese Art musikalisch-meditativen Zustand versetzt, welchen ich bei wenigen Alben verspüre.
Ich würde es schon fast als „entspannenden“ Ausklang von einem (positiv-) beschwerlichen Marsch durch endlose, von Matsch und Leichen gesäumter Felder beschreiben.
Nichts lenkt einen wirklich von dem eigentlichen Sinn und der Atmosphäre ab, denn selbst der Gesang dient ausschließlich als Instrumentation. Hier gibt es keine Störfaktoren, die den Fluss des Songwritings hemmen, das sich stets aufbaut und fällt. In diesem Fall mit gut eingesetzten, hämmernden, aber befreienden Blast Beats gegen Ende von „Auf der Schwelle“. Ich würde es schon fast als „entspannenden“ Ausklang von einem (positiv-) beschwerlichen Marsch durch endlose, von Matsch und Leichen gesäumter Felder beschreiben.
Der Nachthimmel öffnet sich vor meinem inneren Auge. „Unter 7 Sternen“ finde ich mich in einer Wüstenlandschaft wieder. Über mir die Sterne, vor mir Ruinen einer verlassenen, uralten Stadt. Cut. Bevor ich hier abschweife erkläre ich aber lieber warum sich das alles gerade auf der Leinwand in meinem Kopf abspielt: Schwebende, kristallklare Synths erzeugen transzendentale Stimmung, bis sich erneut ein tiefschwarzes Doom Gewitter mit Black Metal Anstrich zusammenbraut und schlussendlich losbricht. Was mir hier besonders gefällt ist der minimale Einsatz des Synthesizers, der meist nur als unterstützendes Element auf einem Ton verharrt, jedoch genau dadurch mehr als genug seinen Zweck erfüllt.
„Das Licht ist offenbarte Finsternis“ tönt es, der Song hebt sich erneut an und endet in einem weiteren Wirbelwind grandioser Drumwork. Wieder endet das Lied in einer Ambient Passage, und mir wird erneut klar, dass es sich hier um eine Art Reise, einen wahnhaften Fiebertraum mit Narration in 3 Kapiteln handeln muss. (Jedenfalls reimt sich das mein Kopf zusammen, während ich die Bausteine und Textfragmente verbinde.)
Beinahe 20 Minuten fühlen sich bei der „Nachtseite“ schlicht und einfach nicht an wie 20 Minuten.
Song 3, verdammt wirklich schon Song 3? Es mag sich wie eine billige Ausrede anhören, schon wieder Lob auszusprechen, aber das muss einfach sein: Beinahe 20 Minuten fühlen sich bei der „Nachtseite“ schlicht und einfach nicht an wie 20 Minuten. Wo man bei Versuchen anderer Bands meist schon nach 7 Minuten einen Rückzieher machen muss bevor einem die Füße unter der Last, der sich ewig wiederholenden Note und Blast Beat, einschlafen, merke ich hier beinahe nicht einmal, dass ich mich hiermit schon in großen Schritten dem Finale der Scheibe nähere. Nun ja, knapp 15 Minuten bleiben mir allerweil noch, denn ich finde mich „Im Labyrinth der Dunkelheit“ wieder. Hier lädt der „zweiköpfige Satan“ zu einem finalen, sich langsam aufbäumenden Tanz in der Finsternis, begleitet und musikalisch untermalt von stampfenden Lamentationen und klagenden Schreien, direkt aus der Unterwelt.
Stichwort Unterwelt, ich schweife ganz kurz ab: Beinahe habe ich vergessen ein oder zwei Wörter an den Sound zu verlieren, welcher sich der Thematik angepasst irgendwo zwischen einem sphärischen, geisterhaften Klangbild atmosphärischer Natur und schlammigen, knallhart drückenden Gitarren inklusive einem klar verständlichen, dennoch ultra-schwerem Schlagzeug bewegt. Kein Instrument schließt das andere aus, dadurch entsteht ein organisches Gesamtbild, das nie zu aufdringlich, jedoch auch nie zu verwaschen oder einheitlich klingt. Kurz und knapp: Lebendiger Live-Sound.
Zurück zum Geschehen: Der Song und damit auch das Album finden langsam, aber sicher sein grandioses Finale. Ein letztes Mal fegen die Drumsticks in Hochgeschwindigkeit über die Snare, bevor sich der Kreis schließt und die „Fackel gelöscht“ wird. Dronige Klänge geleiten uns nach der letzten Gitarrennote durch die Dunkelheit, schließen die Pforte hinter uns und wünschen uns bis zum nächsten Mal ein gutes Gelingen beim Durchqueren des ewigen Labyrinths, dessen Wirren und Verzweigungen wir während der letzten knappen 40 Minuten durchstanden haben.
Ich würde besten Gewissens wieder über die Schwelle treten. Gerne ab dem 30. September auch in physischem Format. Da erscheint das stygische Machwerk des Zijrkells nämlich als Vinyl auf Amor Fati Productions!