Alles ist miteinander verflochten, um ein Ganzes zu erschaffen. Wie Planeten in der Galaxie.
Frédéric Arbour
Wir freuen uns, Euch ein Gespräch mit Frédéric Arbour, dem Gründer und Betreiber des Labels CYCLIC LAW präsentieren zu können. Frédéric (der auch selbst als Musiker mit den Projekten VISIONS, HAVAN, STÄRKER und INSTINCS kreativ ist) ist wahrscheinlich einer der einflussreichsten und produktivsten Menschen in der Dark Ambient Szene. Seit das Label im Jahr 2002 in Kanada gegründet wurde, hat er mehr als 100 Alben veröffentlicht, unter anderem von Künstlern wie PETER BJÄRGÖ/ARCANA, COMMON EIDER, KING EIDER, SUTEKHHEXEN, TREPANERINGSRITUALEN und NORDVARGR. Frédéric stand uns für ein ausführliches Gespräch zum Label und dessen Philosophie zur Verfügung, wofür wir uns ganz herzlichen bedanken möchten.
- Zunächst einmal zu Beginn: Wofür steht der Labelname CYCLIC LAWeigentlich? ich erinnere mich daran, dass wir nach einem Konzert von THE SOFT MOON kurz darüber geredet haben und Du hast erläutert, dass der Begriff „law“ hier nicht im Sinne einer menschengemachten Regel, eines Gesetzes gemeint ist. Kannst Du das erklären?
- Der Begriff „CYCLIC LAW“ bezieht sich auf grundlegende Phänomene, welche der uns umgebenden natürlichen und kosmischen Welt vorausgehen. Bei den Gesetzen, die die Entstehung von Atomen, Zellen, Materie, Galaxien und jeglichen Leben lenken, handelt es sich in einer Art um die Umsetzung eines bereits zuvor existierenden „Plans“. Diese Gesetze gehen allen Erscheinungsformen oder Anwendungen voraus. Zum Beispiel gehen die Gravitationsgesetze der „Geburt“ von Atomen, Konstellationen (die scheinbare Stellung heller Himmelskörper zueinander, wie sie vom Standort eines Beobachters auf der Erde erscheint – Red.) und Galaxien voraus, deren Anordnungen sich aus diesen Gesetzen ergeben.
Auch die Gesetze, die die Mechanismen der Wahrnehmung, des Denkens und der Kommunikation regeln, einschließlich der Sprache, gehen der Bildung der Organe voran, die sie im Leben ermöglichen. In jedem Atom, jeder Zelle, jedem Molekül, jedem Astralsystem und Organismus ist ein Element der Intelligenz vorhanden, das deren Entstehung und Verhalten steuert.
Außerdem entwickeln sich die Dinge und bewegen sich in bestimmten vorherbestimmten Mustern. Vom irdischen Standpunkt aus haben wir die Auf- und Untergangszyklen der Sonne, die zunehmenden und abnehmenden Zyklen des Mondes, die vier Jahreszeiten, die Geburt, das Wachstum, den Verfall, den Tod und so weiter her. Alles, was existiert, wird durch bereits existierende „Gesetze“ beherrscht. - Die Veröffentlichungen auf Deinem Label sind nicht in der, für die meisten Labels typischen, Weise bezeichnet (wie es zum Beispiel bei „Cyclic Law 123“ wäre), sondern als „1st Cycle“, „2nd Cycle“, „124th Cycle“. wie bist Du darauf gekommen und was bedeutet das?
- Es handelt sich dabei um eine Erweiterung der eben genannten Beobachtungen. Jede Veröffentlichung ist ein kompletter Zyklus einer Schöpfung: Von der musikalischen Intention des Künstlers und seinem Ergebnis über die Planung der visuellen Gestaltung bis zur fertigen Veröffentlichung. Und diese Zyklen schreiten mit jeder Veröffentlichung fort, immer in ähnlicher Weise, aber dennoch mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen.
- Das bedeutet also, dass Du eine Verbindung zwischen den einzelnen Veröffentlichungen siehst?
- Ja, unbedingt. Alles ist miteinander verflochten, um ein Ganzes zu erschaffen. Wie Planeten in der Galaxie.
- Ich habe für CYCLIC LAW die Beschreibung „Obscure Ambient and Industrial Soundscapes“ gelesen. Hältst Du das für eine treffende Beschreibung?
- Ja, diese Beschreibung stammt sogar von mir, vor ein paar Jahren. Ich glaube, dass sie immer noch sehr passend ist und den Weg, den wir von Anfang an beschritten haben, gut zusammenfasst.

- Wie kamst Du eigentlich dazu, ein Plattenlabel zu betreiben? Es ist doch eher so, dass das Betreiben eines Underground-Labels wirklich sehr viel Arbeit bedeutet, aber es wird Dich ja ganz sicher nicht zum Millionär machen.
- In meinen frühen Zwanzigern habe ich für das US-Label PROFANEEXISTENCE (es handelt sich dabei um ein, für den Bereich des Anarcho-Punk, des Crustpunks und des Grindcores, sehr einflussreiches Label und Fanzine, das vor allem in den 1990ern sehr aktiv war – Red.) gearbeitet. Damals lebte ich in Minneapolis und war Drummer bei der Band STATE OF FEAR. Ich habe den Mailorder betrieben, mich um den Druck von T‑Shirts gekümmert etc. Als ich dann ein paar Jahre später mein erstes Soloalbum unter dem Namen INSTINCTS veröffentlichen wollte, habe ich mit Yvan Arseneault zusammengearbeitet, ein Freund und Collagenkünstler. Hieraus wurde dann das „Mystery Visions“ CD/Karten-Set. Wir haben das beide zusammen finanziert und letztlich wurde es die erste CYCLIC LAW Veröffentlichung („1st Cycle“). ich wollte damals schon länger ein eigenes Label gründen und dieses Projekt wurde eben der erste offizielle Titel unter dem Namen CYCLIC LAW. Man weiß ja nie, wohin das Leben einen führt, aber in der Rückschau war es eine sehr kreative und bereichernde Reise. Ich würde es nicht anders haben wollen.
- Du hast bis zum heutigen Tage über 100 Platten veröffentlicht. Welche davon war die wichtigste für Dich?
- Hm, da gibt es einige. So viele Jahre schon mit Peter Bjärgö (ein schwedischer Musiker, der vor allem für seine Arbeit mit ARCANAund die unter seinem eigenen Namen veröffentlichen Alben, u. a. auf COLD MEAT INDUSTRY bekannt ist – Red.) zusammenzuarbeiten, ist jedenfalls eine ziemliche Ehre. Wir haben uns zum ersten Mal im Jahr 1999 getroffen, also noch bevor ich das Label gegründet habe, und seitdem haben wir an vielen Veröffentlichungen zusammengearbeitet und sind enge Freunde geworden. Alle meine Veröffentlichungen sind für mich eigentlich ziemlich wichtig, daher ist es schwierig eine herauszupicken. Ich bin einfach dankbar, von so talentierten Menschen umgeben zu sein.
- Du kommst aus dem französischsprachigen Teil Kanadas, bist aber vor einiger Zeit nach Berlin gezogen. Was waren die Gründe hierfür und hat dies zu Veränderungen für das Label geführt? Bist Du damit örtlich näher an Deinen Künstlern (von denen viele in Europa leben)?
- Ja, ich bin im Jahr 2015 nach Berlin gezogen, nachdem ich fast 20 Jahre lang jedes Jahr nach Europa gereist bin und den Traum hegte, eines Tages auf dem Kontinent zu leben, habe ich es endlich geschafft. Die Dinge liefen ziemlich gut, seit ich hier bin und ja, ich war damit auch näher bei einigen Künstlern des Labels und habe auch großartige neue Verbindungen geknüpft. Ich bin sehr glücklich, jetzt hier zu leben und hier zu bleiben. Ein Umzug nach Südfrankreich Ende dieses Jahres ist nun der nächste Schritt auf meiner Reise. Berlin war gut für mich, aber ich sehne mich nach einer ruhigeren und altertümlicheren
Umgebung. - Vor einigen Wochen hast Du den europäischen Vertrieb für den kanadischen Buchverlag „ANATHEMA PUBLISHING Ltd.“ übernommen, der sich auf die Veröffentlichung von Büchern über Spiritualismus, zeitgenössische Esoterica und dem Okkulten spezialisiert hat. Wie bist Du mit Anathema Publishing in Kontakt gekommen und warum vertreibst Du die Bücher?
- Ich kenne Gabriel, den Herausgeber, seit vielen Jahren und schätze seine Arbeit als Herausgeber sehr. Ein Hauptanreiz für mich war, ihm zu helfen, die Hürde der extrem hohen Kosten beim Versand aus Kanada zu überwinden. Nachdem ich diesen Albtraum jahrelang selbst durchgemacht hatte, habe ich mich an ihn gewandt, um eine bessere Lösung für seine europäische Leserschaft zu finden. Bislang war die Resonanz wirklich gut. Bücher interessieren mich natürlich sehr, außerdem habe ich vor ein paar Jahren selbst einen
Verlag mit dem Namen CYCLIC PRESS gegründet, die sich auf hochwertige Kunstbücher spezialisiert hat, und es war nur logisch, dieses Buchangebot auf verschiedene Themen auszuweiten und mit gleichgesinnten Menschen zusammenzuarbeiten.
Es ist eine lebenslange Suche nach dem Verborgenen.
- Dann interessieren Dich diese Themen also auch persönlich?
- Ja, das ist, was ich auch privat die ganze Zeit lese. Es ist eine lebenslange Suche nach dem Verborgenen.
Da ich selbst Plattensammler bin, muss ich Dich unbedingt fragen, was Dein bevorzugtes Format ist, sowohl als Betreiber eines Labels, als auch als Hörer.
Es kommt darauf an. Als Teenager habe ich hauptsächlich Kassetten und Vinyl gekauft. Dann kamen CDs auf und ich mag das lange Spielformat und die Qualität des Mediums, kein Rauschen oder Knistern und Knacken auf der Oberfläche. Für mich ist es das perfekte Format für Ambient-Musik. Aber eine gute Crust-Punk‑7“ oder Metal-LP hat definitiv ihre Wirkung und ihren Sinn. Meiner Meinung nach funktionieren verschiedene Formate für bestimmte Genres am besten. - Und wie entscheidest Du, welche Deiner Veröffentlichungen auf welchem Format erscheinen? Spielen die Wünsche der Künstler dabei auch eine Rolle?
- Und wie entscheidest Du, welche Deiner Veröffentlichungen auf welchem Format erscheinen? Spielen die Wünsche der Künstler dabei auch eine Rolle?
Die meisten möchten natürlich Vinyl, aber das ist ein recht teures Format und nicht alle Alben eignen sich dafür. ich entscheide daher immer von Projekt zu Projekt und schaue danach, was am besten passt. - Die Veröffentlichungen auf CYCLIC LAW werden immer mit viel Aufmerksamkeit gemacht. Die Platten sehen wunderschön aus (und manchmal auch angsteinflößend). Wer hat bei Euch die Ideen für die Gestaltung der Alben, Du oder die Künstler?
- Es ist eine gemeinsame Leistung. Manchmal sind Künstler auch großartige Grafikdesigner, also präsentieren wir ein komplettes audiovisuelles Paket, manchmal arbeiten wir aber auch mit Designern zusammen, hauptsächlich mit Dehn Sora und Nihil, beide wirklich einzigartige Designer und hoch begabt.
- Wenn Du ein Album eines Künstlers Deiner Wahl veröffentlichen könntest, tot oder lebendig, realistisch oder nicht: Welcher Künstler wäre das?
- Mika Vainio (* 15. Mai 1963 in Helsinki, † 12. April 2017 in Frankreich; Mika Vainio war ein finnischer Musiker im Bereich der elektronischen Musik. Seine Werke sind vor allem den Genres Minimal Techno und Ambient zuzurechnen. Er veröffentlichte solo unter seinembürgerlichen Namen und Pseudonymen wie Ø, Kentolevi, Philus und Tekonivel sowie gemeinsam mit Ilpo Väisänen als Pan Sonic – Red.).
- Warum gerade er?
- Er ist für mich einer der zukunftsorientiertesten, zeitgenössischen Künstler. Das meiste, was er geschaffen hat, ist für meine Ohren pures Gold.
- Zum Schluss noch: Kannst Du uns etwas über die Zukunft von CYCLICLAW erzählen? Was sind Deine nächsten Pläne?
- Es sind wie immer einige Veröffentlichungen geplant, wir werden in den nächsten Monaten mit Veröffentlichungen von BLACK EARTHund CLAVICVLA mehr in das Gebiet der Black Ambient eintauchen. Außerdem ist für September ein neues Soloalbum von PETER BJÄRGÖ(inzwischen bereits erschienen, 141st Cycle – Red.) und für Dezember ein neues NORDVARGR-Album geplant. Auch das Jahr 2020 dürfte sich als sehr interessant herausstellen!
- Vielen Dank für das Gespräch, Frédéric!
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