Hagazussa führt Themen wie Schwellenerfahrung, Drudenmythos und alpenländische Isolation vor dem Hintergrund einer vielschichtigen Hexengeschichte meisterhaft und symbolschwanger zusammen. Wir haben uns Lukas Feigenfelds Regiedebüt genau angeschaut und waren begeistert.…
Gleich zu Beginn der Geschichte versetzt uns Lukas Feigenfeld in einer Schlüsselzene in die mystisch-bedrohliche Glaubenswelt eines ländlichen Österreichs des 15. Jahrhunderts. Es ist Rauhnacht. In den schneeschweren Wäldern rauscht der eisige Nachtwind. In ihrer kargen Almhütte sehen sich die kleine Albrun und ihre Mutter mit den realen Schrecken urtümlichen Brauchtums konfrontiert. Perchtengänger poltern und rasseln wie die personifizierten Dämonen des Winters mit Fackeln um die Hütte herum. Einer stachelt gar dazu auf, die Behausung abzubrennen. Hier wird deutlich, dass die Bedrohung durch fest verwurzelten Aberglauben nur allzu real ist. Albrun und ihre Mutter müssen tatsächlich um ihr Leben fürchten, kommen aber noch einmal mit dem Schrecken davon.
Dieses Leitmotiv real bedrohlichen Aberglaubens wird sich, ohne zu viel von der Geschichte verraten zu wollen, durch den gesamten Film ziehen. Es ist der Aberglaube und die religiöse Engstirnigkeit der Dorfgemeinschaft, die aus Albrun nach dem Tod ihrer Mutter eine gehasste Außenseiterin machen werden. Schlussendlich wird er die Ziegenhirtin nicht nur immer weiter in die Isolation treiben, sondern wird auch für den rauschhaft symbolisch inszenierten Abstieg Albruns in ihre eigene zerbrochene Psyche sorgen. Am Ende dieses Abstieges hinunter zum christlich gezeichneten Archetyps der Hexe, den Feigenfeld in Bilder einer urtümlich bedrohlichen Natur des Alpenlandes einbettet, warten Kannibalismus, Wahn und Tod auf Albrun.
Die Abwärtsspirale, die wir mitverfolgen, spielt freilich nicht nur mit der Thematik des Volksglaubens. Auch die, oft im Zusammenhang mit „der Hexe“ herangezogene wilde Sexualität, findet in Anklängen ihren Platz in der Geschichte. Gerade die erste Menstruation einer kindlichen Albrun in Verbindung mit dem zeitgleichen Dahinsiechen der Mutter zu Beginn des Films, lässt viel Interpretationsspielraum für eine Verbindung von Sex, Tod und Schwellenerfahrung im volkstümlichen Hexenglauben.

Hagazussa nach den gängigen Maßstäben einer Filmkritik zu bewerten, würde dem Werk von Lukas Feigenfeld nur bedingt gerecht werden. Die Fotografie erinnert stellenweise stark an die Stilmittel eines Ulrich Seidls. So strapaziert manch eine Szene ganz in der Tradition Seidls, die Sehgewohnheiten des durchschnittlichen Filmkonsumenten doch ganz beträchtlich. Länger als man es vom schnittwütigen modernen Kino erwarten würde, ruht der Fokus der Kamera, gefühlt unerträglich in die Länge gezogen, auf einer einzigen Szene und kostet diese vollkommen aus. Dialoge gibt es nur dort, wo das gesprochene Wort unbedingt zum Verständnis der Geschichte benötigt wird.
Inhaltlich hingegen zeigt Feigenfeld alle Motive auf, die zur psychologisch-mythologischen Betrachtung des Phänomens “Hexenwahn” herangezogen werden können. Das beginnt schon mit der Wahl des Ortes für die Handlung. Die Almhütte markiert meiner Meinung nach die Grenze zwischen Zivilisation und geisterhafter Bergwelt, sie steht also auf einem magischen Schwellenbereich. Dem Volksglauben nach wechseln Hexen zwischen der jenseitigen und diesseitigen Welt hin und her, sind also sogenannte “Zaunsitzer” zwischen den Welten und kommunizieren mit den wilden Geistern der natürlichen Welt.
Das großartig natur-okkulte Plakatdesign des britischen Grafikers Adrian Baxter, der sich unter anderem für die Covergestaltung von Bands wie Schammasch verantwortlich zeigt, verstärkt die Assoziation mit dem Underground im Übrigen Immens.
Wer einen leicht zu konsumierenden Schauderfilm erwartet, wird in jedem Fall enttäuscht werden. Vielmehr wirkt Hagazussa wie ein Bildgewordenes Blackmetal-Drone-Ambient-Apokalyptic-Folk Projekt, zu dem sich vor allem Filmfreunde mit Bezug zu oben genannten Musikgenres hingezogen fühlen werden.
Das großartig natur-okkulte Plakatdesign des britischen Grafikers Adrian Baxter, der sich unter anderem für die Covergestaltung von Bands wie Schammasch verantwortlich zeigt, verstärkt die Assoziation mit dem Underground im Übrigen Immens. Auch der Soundtrack hat es in sich. Die monolythischen Klänge des griechischen Drone-Duos MMMD tragen die obskuren Bildwelten Hagezussas zäh und klebrig wie schwarzen Honig direkt in das Gehirn des Zuschauers. Eine sehr fruchtbare Allianz talentierter Künstler hat es hier geschafft, das Genre des Hexenfilms um ein weiteres, vielschichtiges Kapitel zu bereichern.