Als Ausblick auf das was da akustisch kommen mag, lässt Wolff dem Menschenkopf eine Kolonie psychoaktiver Pilze direkt aus den Ohren wachsen. Zusätzlich spendierte der Künstler beiden Interpreten jeweils eine eigene Illustration, die den Charakter der beiden unterschiedlichen Projekte unterstreichen soll.
Only the Sun Knows Records schicken uns mit ihrer neuesten Doppel-Veröffentlichung auf einen akustischen Trip in verhexte Kornfelder und zu imaginierten sakralen Kraftorten einer vergangenen archaischen Epoche. Dabei übernehmen die Österreicher Elli Riehl, die nach 10-jähriger Abstinenz mit „Die Kornmuhme“ wieder ein Lebenszeichen von sich geben, sowie Mjøðr Ylgjar aus Leipzig mit „World of Stone“ die (Astral-)Reiseleitung. Die grafische Ausgestaltung hat dabei Markus Wolff übernommen, dessen knorrig psychedelisches Triptychon das verbindende Element beider Veröffentlichungen bildet.

Wolff, dessen Werke unter anderem Alben von Neurosis, L’Acéphale, Antlers und Agalloch zieren, hat sich für die visuelle Umsetzung der Musikbeiträge von einer europäischen Kulturgeschichte inspirieren lassen, die man so auch in den Büchern zeitgenössischer Ethnopharmakologen mit einer Vorliebe für die psychoaktiven Aspekte des Schamanentums beschrieben findet. Das Albumcover zeigt daher eine buchstäblich durch die Lüfte „rauschende“ Wilde Jagd, mutmaßlich induziert von Substanzen, die in Form von verschlungenen Ranken und Pilzen aus Mensch und Tierköpfen wachsen. Als Ausblick auf das was da akustisch kommen mag, lässt Wolff dem Menschenkopf eine Kolonie psychoaktiver Pilze direkt aus den Ohren wachsen. Zusätzlich spendierte der Künstler beiden Interpreten jeweils eine eigene Illustration, die den Charakter der beiden unterschiedlichen Projekte unterstreichen soll.
Mjøðr Ylgjar »World of Stone«
Markus Wolff visualisiert die vier Stücke, die Mjøðr Ylgjar beitragen, in seinem Triptychon mit einem Speertragenden Mischwesen aus gehörntem Krieger und Raubtier. Klanglich breitet das Leipziger Projekt dann zwar auch eine ansehnlich dichte Klanglandschaft aus, die man sich aber gerade im Kontext der Genrebezeichnung ein wenig detaillierter und irgendwie…bissiger und wütender gewünscht hätte.
Mit dem Wortungetüm „Indo-European Ritual Doom Industrial“ beschreiben Mjøðr Ylgjar ihre Musik und laden den geneigten Hörer, laut Info des Labels, mit „World of Stone“ zu einem klangexperimentellen Ausflug in eine nicht näher datierte Epoche der Indoeuropäischen Frühzeit ein. Markus Wolff visualisiert die vier Stücke, die Mjøðr Ylgjar beitragen, in seinem Triptychon mit einem Speertragenden Mischwesen aus gehörntem Krieger und Raubtier. Klanglich breitet das Leipziger Projekt dann zwar auch eine ansehnlich dichte Klanglandschaft aus, die man sich aber gerade im Kontext der Genrebezeichnung ein wenig detaillierter und irgendwie…bissiger und wütender gewünscht hätte. In knapp 27 Minuten präsentieren Mjøðr Ylgjar routiniert niederfrequenten und doomigem Dark Ambient, der durch selektiv gesetzte, stark verzerrte beschwörende Vocals zwar immer wieder in Richtung harschen Industrial ausschlägt, aber Titel wie „Spear Rain“, die nach Drama schreien, eher wie einen gleichmäßigen Nieselregen darzustellen vermag.

Und genau hier offenbart sich dann für meine Begriffe auch der größte Kritikpunkt an „World of Stone“. Ohne die grafische Gestaltung Wolffs und ohne Kenntnis der Songtitel bliebe die thematische Ausrichtung des Projekts eher nebulös. Das „indoeuropäische“ Element der Truppe hat sich mir auch nach mehrmaligem Durchhören nicht so recht erschließen wollen. Gerade martialischen Titeln wie erwähntem „Spear Rain“ oder „Weapon Dancer“, die eindeutig Bewegung, Aktion und eben Drama assoziieren lassen, hätten ein paar Field Recordings und/oder ein dynamischerer Aufbau gut getan. Ich persönlich stelle mir unter einem Speerregen nämlich gleich mehrere Phasen vor: Abwurf, Aufstieg, Sinkflug und ein tödlicher, verheerender Einschlag in Form von stakkatoartigen Trommelwirbeln, den man sicher wunderbar mit den Möglichkeiten des Genres hätte herausarbeiten können.
Fazit: Trotz seiner gelegentlichen Längen und dem eher dürftig ausgearbeiteten hörbaren Bezug zur beschworenen Frühgeschichte Europas bieten Mjøðr Ylgjar ordentlichen Ritual-Ambient mit doomiger Schlagseite und fiesen Industrial Vocals, die zeitweilig sogar an Interpreten wie Trepaneringsritualen denken lassen. Spannend wäre es allemal, das Projekt in einem Live-Setting mit Ritualcharakter zu erleben.
Elli Riehl »Die Kornmuhme«
Wer sich auf die Fahrt einlässt, dem tun sich wunderschön schaurig vertonte Szenen aus archetypischer Vergangenheit auf, denn das Coverartwork von M. Wolff ist der Musik der Österreicher wie auf den zotteligen Leib geschneidert.
Was Mjøðr Ylgjar mit „World of Stone“ leider an atmosphärischen Potential verschenkt haben, machen Elli Riehl mit insgesamt sieben ungewöhnlichen und bizarren Beschwörungen und Interpretationen von zB. Goethes „An den Mond“, sowie LaVeys „DasTierdrama“ mit „Die Kornmuhme“ wieder wett. Eines jedoch direkt vorweg: Auch an Elli Riehls sechstem Album werden sich gerade ob des schrägen und gewöhnungsbedürftigen Gesangs die Geister genauso scheiden, wie schon anno 2003 bei deren Erstlingswerk „Waldsleut“ und allen Veröffentlichungen danach. Jetzt das große Aber:
Wer mit der lyrisch experimentellen Charakteristik der „Neuen deutschen Todeskunst“ vertraut ist, Sturmperchts alpinen und knarzigen Wurzelhymnen etwas abgewinnen kann und aktuell gerne tiefgründigen Projekten wie zB. „Fensterverse und Nachtgespinste“ von Mosaic in abgedunkelten Räumen lauscht, den nimmt Elli Riehl auf eine atmosphärische Geisterbahnfahrt in eine verhexte, durch und durch organische Folk-Welt mit. Wer sich auf die Fahrt einlässt, dem tun sich wunderschön schaurig vertonte Szenen aus archetypischer Vergangenheit auf, denn das Coverartwork von M. Wolff ist der Musik der Österreicher wie auf den zotteligen Leib geschneidert.

Ich muss gestehen, ein großer Freund von klug eingesetzten Feldaufnahmen zu sein und die sieben Stücke auf „Die Kornmuhme“ entwickeln durch die vielen Naturaufnahmen beinahe schon Hörspielcharakter. So ist etwa im Hintergrund von gleich mehreren aufeinanderfolgenden Songs Regen zu hören, der auch thematisch unterschiedlichen Stücken den Anschein einer durchgängigen Geschichte verleiht. So lässt unter anderem „Eilt herbei“ an eine unheilvolle, vor dem menschlichen Auge verborgene Versammlung von Wildtieren denken, während „Die Lichtung“ melancholische Bilder einer nur scheinbar verlassenen Waldlichtung aufsteigen lässt. „In den Erlen“ hingegen wird jeden „begeistern“, der schon einmal eine einsame Nacht im Wald verbracht hat. Es schwebt ein so garstiges, übernatürliches und dennoch vertrautes Grunzen und Schnauben über und hinter den organischen Drones, dass es einem Himmelangst und Bange wird.
Es schwebt ein so garstiges, übernatürliches und dennoch vertrautes Grunzen und Schnauben über und hinter den organischen Drones, dass es einem Himmelangst und Bange wird.
Überhaupt geht es musikalisch sehr abwechslungsreich zu. Hier und da werden fein dosiert Free Jazz Elemente zur Untermalung der grausigen Atmosphäre herangezogen, während schnarrende Bässe, Trommeln und Versatzstücke aus der Volksmusik Gespensterhochzeit mit dezentem Prog-Rock Rock feiern. Hier trifft die Label Info ins Schwarze: Das sind wirklich „Organic Dark Drones“. Lediglich die Frage, wo die beschriebenen Black Metal Bezüge zu finden sind bleiben mir ein wenig schleierhaft, was dem Gesamteindruck jedoch keinen Abbruch tut. Die Vocals, oft Stein des Anstoßes, fügen sich nach kurzer Eingewöhnungszeit beinahe nahtlos in das Panoptikum ein, in der die „Die Kornmuhme“ die Hauptrolle spielt. Wie ein Langbärtiges Naturwesen vom Schlage eines Alberichs, gerade der nassen Erde entstiegen auf der Elli Riehl ihre Geschichte aufführen, kommt die verzerrte Erzählerstimme daher. Alleine die Tatsache, dass dieses Stilmittel seit nunmehr 2003 ein wesentlicher Bestandteil des Riehl‘schen Repertoires und dessen markantestes Merkmal ist, zeigt dass die Truppe an ihr Konzept glaubt und konsequent auf etwaige Massentauglichkeit pfeift.
Fazit: Wer sich nicht davor scheut die ganz eigene Ausdrucksweise, mit der Elli Riehl ihre Geschichten erzählen, für sich entdecken zu wollen, der wird am Ende wie im Märchen mit einem kleinen bizarren Juwel belohnt werden. Im Reich der „Kornmuhme“ geht es so schön organisch, musikalisch vielschichtig und unterschwellig grausig zu, dass es eine wahre Freude ist und das Kopfkino so richtig in Fahrt kommt. „Die Kornmuhme“ ist definitiv nichts für Dogmatiker oder für das beiläufige Hören zwischendurch, hier will ein experimentelles Album Stück für Stück individuell verstanden und entdeckt werden.
Abschließend lässt sich sagen, dass Only the Sun Knows mit der vorliegenden Veröffentlichung ihrem Slogan „ : Dark Minded : Open Minded : Never Minded : “ absolut treu geblieben sind. Gerade die Diversität der beiden Interpreten macht den Reiz dieser, mit viel Herzblut gestalteten, Veröffentlichung aus, auch wenn ein gewisses Ungleichgewicht durchaus zu bemerken ist. So spielt man mit Mjøðr Ylgjar eher auf Nummer sicher, während Elli Riehl so richtig zur Herausforderung für die eigenen Hörgewohnheiten werden, die sich am Ende aber mehr als auszahlt. Zum Zeitpunkt der Rezension waren die spannendsten Versionen der Doppelveröffentlichung übrigens leider schon ausverkauft. Die auf 24 Einheiten limitierte Sonderedition hätte das Erlebnis noch um eine olfaktorische Dimension erweitert und wäre mit zwei unterschiedlichen Räuchermischungen ins Haus gekommen. Wer jetzt allerdings noch fix ist, sichert sich die Art-Edition mit Poster und Postkarte und kann sich dann die ausdrucksstarke Grafik von Markus Wolff im Großformat in allen Details anschauen, bis die psychoaktiven Pilze aus den Ohren sprießen.